Green UX
Die Digitalisierung bietet große Chancen in Bezug auf den Klimawandel, da neue Technologien zur Verringerung des ökologischen Fußabdruckes eingesetzt werden können, wie beispielsweise im Bereich der Mobilität, in Form von optimierten Produktionsprozessen oder der Energieversorgung. Gleichzeitig wirkt sie in vielen Bereichen auch als Problemverstärker.
Erst Anfang Juli hat Google im aktuellen Klimabericht zugegeben, dass der Ausbau von KI Anwendungen aufgrund des enormen Stromverbrauches zu einer massiven Steigerung der CO2-Emissionen des Unternehmens geführt hat. Video Streaming ist ein weiteres prominentes Beispiel für Anwendungen mit erheblichem Energieverbrauch, aber auch die Datenmenge von Webseiten korreliert mit ihrem Stromverbrauch.
Das mittlere Page Weight von Webseiten steigt kontinuierlich an und liegt derzeit im Format Desktop bereits bei gut 2,6 MB – Elemente, die über Lazy Loading geladen werden noch gar nicht mit einberechnet.
Digitales Handeln hat also immer auch einen physischen Impact.
Einfach gesagt: Wir alle produzieren und konsumieren laufend Daten, die in Daten- & Rechenzentren gespeichert oder verarbeitet, über die Netzwerke und Infrastruktur übertragen und von unseren Endgeräten interpretiert werden müssen. All dies führt zu einem ständig steigenden Energieverbrauch – und die Herstellung von Energie führt zu CO2-Emissionen, deren Menge von der Energiequelle abhängig ist. In Österreich haben wir zwar das Glück, dass wir einen großen Anteil der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen können, in vielen Regionen der Welt sieht das aber ganz anders aus. Zudem werden in Datenzentren große Mengen Wasser zur Kühlung der Server benötigt, die Herstellung von Hardware ist alles andere als umweltfreundlich und die Unmengen an Elektroschrott, von denen weltweit nur ein kleiner Anteil ordnungsgemäß recycelt wird, stellen ein massives Problem dar. Darüber hinaus ermutigen viele digitale Produkte zur Überkonsumation, was weitere Umweltprobleme mit sich bringt.
2021 hörte ich die Folge „The Climate Question - Can the internet ever be green?” des BBC Sounds Podcast, in der Professor Rabih Bashroush u.a. erklärte, dass jedes Mal, wenn der berühmte Fußballer Christiano Ronaldo ein Bild mit seinen 240 Mio. Followern auf Instagram teilt, sage und schreibe 36 MWh Stunden Strom verbraucht werden. – Das entspricht in etwa dem jährlichen Energieverbrauch von 10 österreichischen Haushalten! Dieses plakative Beispiel hat mich veranlasst, tiefer in die Thematik einzutauchen und Green UX und nachhaltiges Webdesign wurde zu einer Herzensangelegenheit und Thema meiner Masterarbeit im Lehrgang User Experience Management an der FH Technikum Wien. Seither wurde ich zu zahlreichen Veranstaltungen eingeladen, um meine Erkenntnisse zu präsentieren. Bei einem dieser Vorträge habe ich drunomics Managing Partner & COO Oliver Berndt kennengelernt, für den sofort klar war, dass er das Thema bei drunomics vorantreiben wird.
Kurz gesagt geht es bei Green UX darum, die Bedürfnisse der NutzerInnen mit denen unseres Heimatplaneten in Einklang zu bringen. Es gilt abzurücken vom nutzerzentrierten Designansatz, der immer die Bedürfnisse einer bestimmten NutzerInnen-Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt (üblicherweise „jetzt“) als Ausgangspunkt hat, hin zu einem Menschheits- oder Planeten-zentrierten Ansatz, der die Bedürfnisse der gesamten Menschheit und des Planeten, jetzt und in Zukunft, über alle Entscheidungen stellt.
Denn eines ist klar: Wir, die wir in diesem Bereich tätig sind, egal ob DesignerInnen, KonzeptionistInnen oder EntwicklerInnen, tragen eine Verantwortung. Es liegt in unserer Hand, digitale Lösungen zu erschaffen, die möglichst energiesparend arbeiten, umweltfreundliches Verhalten fördern und NutzerInnen nicht dazu zwingen, ständig neue Endgeräte zu kaufen.
Beim drunomics Team Event Ende Juni haben wir im Rahmen eines Workshops zahlreiche Ideen und Denkansätze gesammelt, wie wir bei drunomics zu einem grüneren Internet beitragen können.
Durch unser breit aufgestelltes Team an ExpertInnen können wir in jeder Projektphase Maßnahmen setzen, die die Datenmenge einer Website reduzieren und dadurch Energie sparen. Am meisten Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck einer Lösung hat man allerdings, wenn das Thema von Projekt-Beginn an laufend berücksichtigt wird, von der Konzeption, der Content-Strategie, über die Informationsarchitektur und das Design, die Infrastruktur bis zur Entwicklung und Wartung.
Für eine „grüne“ Website zum Beispiel gilt es in Bezug auf den Energieverbrauch drei wesentliche Ziele zu verfolgen: Unnötige Seitenaufrufe zu vermeiden, die Datenmenge jeder einzelnen Webpage so gering wie möglich zu halten und darüber hinaus den Energieverbrauch der Endgeräte im Auge zu behalten. Gute Konzeption, effiziente NutzerInnenführung und ein auf die Bedürfnisse der NutzerInnen abgestimmtes Design, legen den Grundstein für das Erreichen dieser Ziele. Dann können EntwicklerInnen durch ihre Magie rundum effizienten Code, Datenkomprimierung, Caching etc. ein optimales Ergebnis sicherstellen.
Ist Green UX die bessere UX?
Oder: Welche Vorteile bringt Green UX nun, abgesehen von dem guten Gefühl, die Umwelt nicht mehr als nötig zu belasten?
• Performance:
Der Fokus auf Energieeffizienz führt durch unterschiedliche Maßnahmen in Design und Entwicklung zu schnelleren Ladezeiten, was sich erwiesenermaßen positiv auf die User Experience auswirkt. (Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass schnellere Ladezeiten zu einer geringeren Absprungrate und besserer Conversion führen.)
• SEO:
Auch Suchmaschinen wie Google nutzen die Ladegeschwindigkeit von Webseiten als Kriterium für das Ranking.
• Barrierefreiheit:
Die Kernaussage der ISO-Definition für Barrierefreiheit ist, dass es dabei nicht nur um Design für NutzerInnen mit speziellen Nutzungsbedürfnissen aufgrund körperlicher Einschränkungen geht, sondern um eine generelle Erweiterung der Zielgruppe zu einer möglichst großen Gruppe an Menschen in unterschiedlichsten Nutzungskontexten.
Hierfür stellt der Fokus auf Energieeffizienz eine gute Basis dar, denn „grüne“ Webseiten funktionieren aufgrund der möglichst geringen Datenmenge und der Schonung der Prozessoren der Endgeräte auf einer sehr breiten Palette von Endgeräten. (Für Assistenzsysteme wie Screen-Reader, Braille-Displays etc. sind natürlich zusätzliche Optimierungen nötig). Auch an Orten oder in Situationen mit schlechter Internetverbindung sind „grüne“ Webseiten im Vorteil, man denke nur an eine Zugfahrt oder einen Ausflug in die Berge.
Grundsätzlich führen Anwendungen, die NutzerInnen dazu zwingen, ständig neue Endgeräte zu kaufen und nur mit bestmöglicher Bandbreite gut funktionieren, nicht nur zu Umweltproblemen. Nein, dies stellt auch ein soziales Problem dar, schließlich kann sich nicht jede/r alle 2 Jahre ein neues Smartphone leisten und nicht alle NutzerInnen surfen mit einer 5G-Datenflatrate.
• Usability:
Natürlich führt das alleinige Reduzieren der Datenmenge einer Website nicht automatisch zu guter Usability. Gute UX-Arbeit und somit das Kennen und Verstehen der NutzerInnenbedürfnisse sind auch für „grüne“ Webseiten erforderlich, oder sogar noch wichtiger, da man noch stärker versucht, Inhalte und Funktionalitäten perfekt an diese Bedürfnisse anzupassen, auf möglichst „leichte“ Art umzusetzen und unnötiges wegzulassen. Macht man dies aber richtig und liefert den NutzerInnen immer die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt auf möglichst effiziente Art und Weise, kann Green UX positiven Einfluss auf die Usability haben.
• User Experience:
Eine effiziente Content-Strategie, die Inhalte auf das Wesentliche reduziert, gute Usability und hohe Performance beeinflussen letztlich auch die User Experience positiv.
Was das UI-Design angeht, gilt es eine vernünftige Balance zwischen Ästhetik und Energieeffizienz zu finden. Dabei sind aber wesentlich weniger Abstriche nötig, als man spontan denken würde. Denn durch den Einsatz moderner Bildformate und richtiger Bildgrößen, das Optimieren von Bildern und Schriften, sowie effiziente Umsetzung des Designs im Code, kann schon unheimlich viel an Datenmenge eingespart werden. Verzichtet man daneben auf Bilder und Animationen, die keinen Mehrwert für die NutzerInnen bieten, sowie auf Videos, die geladen und automatisch abgespielt werden, ohne dass die Nutzerin oder der Nutzer dies wollte, ist das nicht nur eine gute Basis für Energieeffizienz, sondern auch für gute User Experience.
Neben dem Fokus auf Energieeffizienz hat Green UX noch weitere Aspekte zu bieten. Mit Begriffen wie „Green Patterns“ bzw. „Digital Green Nudging“ sind Designmuster, Informationen bzw. Content-Elemente gemeint, die NutzerInnen helfen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen. Das Hervorheben nachhaltig produzierter Produkte, energieeffizientere Default-Einstellungen z.B. Beim Video-Streaming, oder das Anbieten umweltfreundlicherer Versandoptionen oder das Informieren der NutzerInnen über den ökologischen Einfluss einer Kaufentscheidung sind Beispiele dafür. Weiters gibt es Möglichkeiten, NutzerInnen darüber zu informieren, dass sie gerade mit einer umweltfreundlichen digitalen Anwendung interagieren bzw. ihr Bewusstsein für den physischen Einfluss digitalen Handelns zu schärfen. All dies kann die Wahrnehmung der digitalen Lösung und somit auch des dahinter stehenden Unternehmens als umweltfreundlich fördern und somit die User Experience für eine umweltbewusste NutzerInnengruppe verbessern.
Machen wir das Web gemeinsam grüner!
„Making peace with nature is the defining task of the 21st century. It must be the top, top priority for everyone, everywhere.“
(Uno-Generalsekretär António Guterres)